Für gleiche, faire Chancen – gegen Diskriminierung

Günter Foss

Brandenburg – ein Land, das weltoffen und tolerant sein will, das faire und gleiche Chancen und gleichberechtigte Teilhabe verwirklichen will, das lebenswert für alle sein will, das die Gleichwertigkeit seiner Bürgerinnen und Bürger anerkennt, das Diskriminierung (ungerechtfertigte Benachteiligung aufgrund eines Merkmals, wie Geschlecht), Rassismus und Fremdenfeindlichkeit nicht duldet, braucht dazu insbesondere eine wirksame Gesetzgebung, die neben Gleichstellungs- und Gleichbehandlungsgesetzen ein wirksames Landesantidiskriminierungsgesetz beinhaltet.

Die Vermeidung und die aktive Bekämpfung von Diskriminierung (Antidiskriminierung) zielt in erster Linie auf eine Gleichverteilung der Erfolgschancen für alle gesellschaftlichen Gruppen und auf die Herstellung gleichberechtigter Teilhabe aller, unabhängig von persönlichen individuellen Eigenschaften, etwaigen Beeinträchtigungen oder der Zugehörigkeit zu bestimmten gesellschaftlichen Gruppen, ab.

Für die Bürger_innen sind gleiche und faire Chancen für alle einer der wichtigsten Aspekte sozialer Gerechtigkeit. Sie sehen hier dringenden Handlungsbedarf. Denn für das Leben der Menschen ist es wichtig, dass ihnen gleiche und faire Chancen und Möglichkeiten gewährt werden.

Gleiche und faire Chancen herzustellen, bedeutet darauf zu achten, dass jeder gemäß seinen Fähigkeiten und Qualifikationen die Möglichkeit hat, sein/ihr Bestes einzubringen, dass darauf geachtet wird, dass Diskriminierungen entgegengetreten wird, dass Barrieren und „gläserne“ Decken auch im Hinblick auf Karrieremöglichkeiten weggeräumt werden. Gleiche und faire Chancen sind erreicht, wenn von Benachteiligung betroffene bzw. bedrohte Gruppen und Personen gegenüber nicht benachteiligten, beispielsweise verschiedene Frauen und Männer, z.B. aus unterschiedlichen ethnischen Gruppen oder unterschiedlichen Alters, eine vergleichbare Erfolgsrate aufweisen.

Tatsächliche Gleichberechtigung erreichen

Daher kann sich eine Politik der gleichen und fairen Chancen nicht darauf beschränken, Zugangsbarrieren zu beseitigen und für alle gleiche Startbedingungen zu schaffen. Sie muss darüber hinaus neue Möglichkeiten für Benachteiligte oder von Benachteiligung Bedrohter eröffnen, um tatsächliche Gleichberechtigung/-stellung zu erreichen (gezielte Förderung).

Jeder und jede hat ein Geschlecht, ein Lebensalter, eine (ethnische) Herkunft, eine sexuelle Orientierung, (k)eine Religion oder möglicherweise eine Behinderung. Ausgrenzung und Diskriminierung sind nicht die Lebenserfahrung einer kleinen Gruppe, sondern potenziell jeder Person in dem einen oder anderen Lebenszusammenhang. Daher ist Gleichbehandlung/-berechtigung kein Minderheiten-, sondern ein gesamtgesellschaftliches Thema. Es ist im Eigeninteresse der gesamten Gesellschaft, Diskriminierung so weit wie möglich zu beseitigen. Nur so können demokratische Prinzipien und Grundsätze der Verfassung implementiert werden.

Das Land Brandenburg ist 2011 der bundesweiten „Koalition gegen Diskriminierung“ beigetreten. 2013 hat es sich mit der sogenannten Antirassismusnovelle seiner Landesverfassung zu Maßnahmen gegen Diskriminierung verpflichtet. Das Landesintegrationskonzept 2014 sieht den Diskriminierungsschutz als Querschnittsaufgabe vor. Das Grundgesetz verpflichtet zudem zum Schutz vor Diskriminierung.

Trotz dieser guten Voraussetzungen mangelt es in Brandenburg bislang an konkreten Maßnahmen, um Diskriminierung wirkungsvoll entgegen zu treten und einen umfassenden Rechtsschutz zu gewährleisten.

Mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) wurde zwar 2006 ein Diskriminierungsschutz in den Bereichen Arbeits- und Zivilrecht eingeführt, doch auf das hoheitliche Handeln des Staates ist das AGG nicht anwendbar. Auf der Grundlage des AGG ist es lediglich möglich, sich im privaten Bereich, wie z.B. gegen einen Vermieter oder einen Arbeitgeber gegen Diskriminierung zu wehren. Geht aber eine Diskriminierung von staatlichen Stellen, wie beispielsweise von einer Polizistin oder einem Lehrer aus, gibt es keine Möglichkeiten. Dies ist eine Schutzlücke im Zuständigkeitsbereich des Landes.

Landesantidiskriminierungsgesetz schließt Schutzlücke

Mit der Verabschiedung eines Landesantidiskriminierungsgesetzes (LADG) ließe sich diese Schutzlücke schließen und endlich würde auch der in der Antirassismusnovelle verankerte Auftrag aus der Brandenburger Landesverfassung in praktisch anwendbares Recht gefasst werden.

Ein LADG wird auf zwei Ebenen wirksam, indem es einen Diskriminierungsschutz für Betroffene von Diskriminierung durch staatliches Handeln einführt und zugleich die öffentliche Hand zu diskriminierungsfreiem Verhalten und konkreten Maßnahmen gegen Diskriminierung verpflichtet.

Adressat_innen eines LADG sind nicht nur die Diskriminierten und die Diskriminierenden, sondern auch diejenigen, die aufgrund ihrer institutionellen Stellung in der Lage sind, Strukturen zu beeinflussen. Ein LADG verpflichtet zur Verhinderung von Diskriminierung und Förderung von gleichen und fairen Chancen, z.B. in Form sogenannter Positiver Maßnahmen und Diversity-Folgenabschätzungen bei allen politischen, normgebenden und verwaltenden Maßnahmen sowie durch die Berücksichtigung von Diversity-Kompetenzen im Rahmen von Einstellungen und Beförderungen. Auf diese Weise werden Strukturen aufgebrochen, die zur Unterrepräsentanz bestimmter Gruppen und zur einseitigen Ausrichtung von staatlichen Angeboten an bestimmte Gruppen führen.

Aber auch private Unternehmen und Organisationen, die öffentliche Aufträge durchführen, werden in einem LADG zu Positiven Maßnahmen verpflichtet. Des Weiteren installiert ein LADG eine Landesantidiskriminierungsstelle mit weitreichenden Aufgaben zum Abbau von Diskriminierung und starken Befugnissen, wie z.B. einem Auskunfts- und Anhörungsrecht.

In Ergänzung zum Brandenburger Landesgleichstellungsgesetz und zum Brandenburgischen Behindertengleichstellungsgesetz adressiert ein LADG Menschen, die aufgrund rassistischer Zuschreibungen, ihrer Herkunft, Nationalität, Sprache, des Geschlechts, Lebensalters, der sexuellen Identität, religiösen oder weltanschaulichen Überzeugungen oder ihres sozialen Status diskriminiert werden. Es verdeutlicht staatlichen Akteur_innen, Wirtschaft und Gesellschaft unmissverständlich, dass Diskriminierung verboten ist und dass mit konkreten Maßnahmen dagegen vorgegangen wird. Mit ihm würde das Land Brandenburg aktiven Schutz gegen Diskriminierung bieten und so dringend aufzubauendes Vertrauen bei Betroffenen schaffen.

Zu Diskriminierungen kommt es im direkten Kontakt zwischen Menschen, wenn z. B. unter Arbeitskolleg_innen Witze über Schwule oder beleidigende Äußerungen über den Islam fallen; durch Institutionen, wenn Polizist_innen das Opfer eines Angriffs in Handschellen abführen, weil sie aufgrund seiner Hautfarbe davon ausgehen, dass es Täter sein müsse; oder wenn eine Jugendliche mit Kopftuch in der Schule bei gleicher Leistung regelmäßig schlechtere Noten als ihre Mitschüler_innen erhält.

Freiwillige Maßnahmen verändern nicht schnell genug

Diskriminierung schafft eine ungerechte Verteilung von Chancen und Ressourcen. Nur wenn wir Menschen ermutigen, sich bei Diskriminierung zu beschweren, eine positive Kultur entwickeln und eine gesetzliche Grundlage in Form eines LADG schaffen, erzielen wir einen wirksamen Lerneffekt in den Institutionen, gesellschaftlichen Strukturen und in den Köpfen der Menschen. Allein auf freiwillige und sensibilisierende Maßnahmen zu setzen, verändert Bewusstsein und gesellschaftliche Rahmenbedingungen nicht schnell genug. Das geschieht erst, wenn ein Gesetz und verpflichtende Maßnahmen eine normsetzende Wirkung entfalten.

Einem LADG muss eine landesweite Informationskampagne folgen, dass in Brandenburg Diskriminierung verboten ist und jeder Mensch ein Recht auf Gleichbehandlung hat. Zudem müssen spezialisierte unabhängige Beratungsstellen umfassend gefördert werden, die Betroffene professionell zu den außergerichtlichen und gerichtlichen Durchsetzungsmöglichkeiten ihres Rechts auf Gleichbehandlung beraten, sie begleiten und in Diskriminierungsfällen intervenieren.

Brandenburg braucht ein LADG! Ein LADG vervollständigt den Schutz gegen Diskriminierung und schafft institutionelle Rahmenbedingungen für mehr gleiche und faire Chancen und aktive Teilhabe aller Menschen im Land.

Der Autor ist Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft Betrieb & Gewerkschaft der Brandenburger LINKEN

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